GEW Rheinland-Pfalz: Nach fast 200 Tagen: Kita-Zukunftsgesetz ist gescheitert

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Nach fast 200 Tagen: Kita-Zukunftsgesetz ist gescheitert

GEW: Kitas vor dem Bildungsnotstand


Das rheinland-pfälzische Kita-Gesetz ist seit fast 200 Tagen in Kraft und nach Einschätzung der GEW Rheinland-Pfalz schon jetzt gescheitert. Regelmäßig bekommt die Gewerkschaft von ihren Mitgliedern aus den Kitas ein desaströses Bild zurückgemeldet.

Schon im Gesetzgebungsverfahren hatten wir davor gewarnt, dass wichtige Regelungen nicht so oberflächlich bleiben dürfen wie geplant. Dennoch wurde das Gesetz diesbezüglich unverändert auf den Weg gebracht. Jetzt zeigt sich, dass die mit der Umsetzung dieses Gesetzes betrauten kommunalen Gebietskörperschaften den durch die fehlende Regelungstiefe entstehenden Spielraum nicht nutzen, um die Qualität der frühkindlichen Bildung zu verbessern, sondern eher die billigste Variante im Auge haben“, erklärt.

Kathrin Gröning, stellvertretende Vorsitzende der GEW Rheinland-Pfalz und zugleich selbst Erzieherin in einer Kita. „Mit dem neuen Gesetz wurde den für die Umsetzung zuständigen Kommunen deutlich mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Es war absehbar, wozu das bei klammen kommunalen Kassen führen wird“, so Gröning weiter. Die Landesregierung verfolgte mit dem Gesetz das Ziel, dass die Kita-Landschaft auf ein neues, festes und modernes Fundament gestellt wird. Umsetzungsschwierigkeiten und fehlende Regelungstiefe weichen dieses Fundament auf, weshalb die GEW dieses Ziel bereits jetzt als gescheitert ansieht.

Die GEW weist darauf hin, dass das Gesetz nicht einmal klar regelt, welche Personalkosten die Einrichtungsträger selbst übernehmen müssen. Zudem habe der Gesetzgeber den Eltern gegenüber Versprechungen gemacht, die nun nicht gehalten werden können. So seien die wenigsten Kitas in der Lage, wie vorgesehen bereits jetzt schon für alle Kinder ein durchgehendes Betreuungsangebot mit Mittagessen anzubieten. „Den Frust darüber müssen nun vor allem die Kita-Leitungen auffangen“, berichtet Gröning.

„Wir hatten als Vertretung der Beschäftigten stets darauf hingewiesen, dass von Seiten der Landesregierung öffentlich auf die Umsetzungsprobleme hingewiesen werden muss. Dies ist leider unterblieben.

Die Beschäftigten sind weit über ihr Limit belastet."

Seite 2 Pressemitteilung vom 12.01.2022
Susanne Schillo-Kastenmeier, Kita-Leiterin aus Kusel, erlebt in ihrer täglichen Praxis, wie sich durch das neue Kita-Gesetz die Arbeit in ihrer Kita verändert hat: „Durch die Regelungen des neuen Gesetzes werden nun die Personalstellen für die Einrichtungen nach Durchschnittswerten aller Kitas in Rheinland-Pfalz berechnet. Aber keine Kita bei uns ist durchschnittlich. Dort wo mehr geleistet wurde, wie bei uns beispielsweise in sozialräumlicher Hinsicht, gibt es dafür keine zusätzlichen Stellen mehr.“ Statt also ein Mehr an Personal verzeichnen zu können, wurde Personal abgezogen. Dabei hat Kastenmeier noch Glück, denn ihr zuständiges Jugendamt versucht den Schaden zu begrenzen. Da das Gesetz aber nicht vorgibt, wie die besonderen Bedarfe der Einrichtungen erhoben und über das Sozialraumbudget abgedeckt werden müssen, handelt hier jede Stadt oder Landkreis nach eigenen Prinzipien. Wie dramatisch sich die Situation der Beschäftigten darstellt, erklärt Gewerkschaftssekretär Ingo Klein: „Ich habe beinahe täglich Anrufe von Mitgliedern, die sich beraten lassen, wie sie ihren Arbeitsvertrag kündigen können oder wie sie früher verrentet werden können“, führt Klein aus. Dabei seien es verstärkt Anfragen von Leitungskräften, aber auch von Erzieher:innen im Gruppendienst. „Dabei planen viele ihre Kündigung, ohne einen alternativen Arbeitsplatz zu haben“, so Klein weiter. Nach den Gründen für die Kündigung gefragt, berichten die Kolleg:innen von einer permanenten Überlastung und der tiefen Enttäuschung, ihre Arbeit nicht wie gefordert qualitätsvoll ausführen zu können. In vielen Einrichtungen, so der Eindruck der GEW, könnte nicht einmal mehr die Aufsicht der Kinder gewährleistet werden. „Was passiert, wenn Probleme ignoriert werden, die durch stetige Überlastung entstehen, wird aktuell im Bereich der Pflege deutlich“, so Kathrin

Gröning. „In den Kitas sehen wir gerade den Beginn einer ähnlichen Entwicklung. Hochqualifiziertes pädagogisches Personal verlässt den Beruf oder sieht sich gezwungen, Arbeitszeit zu reduzieren. Und das in Zeiten eines ohnehin eklatanten Fachkräftemangels. Eine fatale Entwicklung.“ Bereits seit einer Dekade warnt die GEW Rheinland-Pfalz vor einem drohenden Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung. Die Sicherung und Gewinnung neuer Fachkräfte wurde verschlafen. Michael Geckeler, Erzieher und Personalrat, der den Personalmangel in seiner täglichen Praxis erlebt, zu seinen Erfahrungen: „Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch das neue Gesetz führt zusätzlich dazu, dass die pädagogische Arbeit in Kitas noch weniger attraktiv wird. Mit jeder unbesetzten Stelle steigt dann
die Belastung für die Beschäftigten zusätzlich. Wenn über Monate kein geeignetes Personal gefunden werden kann, dann ist das nicht aufzufangen. Von dem Ideal, dass aus mehreren geeigneten Bewerbungen eine passende Person für jedes Team gefunden werden kann, sind wir meilenweit entfernt. Von der Vertretung von Ausfallzeiten ganz zu schweigen.“ Den Kitas im Land bliebe oftmals nichts anderes übrig, als dem Personalmangel mit einer Reduzierung der Angebote und Einschränkungen bei den Öffnungszeiten zu begegnen. Auch hierzu erreichen die GEW Berichte, dass solche Angebotskürzungen vielerorts bereits alltäglich sind. „Die Reduzierung des Betreuungsangebots ist für alle Beteiligten, insbesondere aber für die Eltern, eine enorme Herausforderung“, so Gröning. „Alleine in Mainz können jetzt schon rund 300 Betreuungsplätze aufgrund des Personalmangels nicht vergeben werden. Das sollte bei den politisch Verantwortlichen doch eigentlich alle Alarmglocken schrillen lassen.“

Gewerkschaftssekretär Klein ergänzt: „In den Augen der GEW Rheinland-Pfalz droht den Kitas der Bildungsnotstand. Das Ziel einer bestmöglichen frühkindlichen Bildung ist ohne deutliche Nachbesserungen nicht zu erreichen. Selbst die Betreuung ist derzeit nicht überall ausreichend sichergestellt.“

Die GEW Rheinland-Pfalz erklärt das Kita-Zukunftsgesetz als gescheitert, da es in der jetzigen Fassung die Ziele, die mit der Novellierung verbunden sind, nicht erreicht und stellt folgende Forderungen auf: „Wir müssen die Uhren praktisch wieder auf null stellen und die Novellierung des Kita-Gesetzes von vorne angehen. Die Rückmeldungen der Beschäftigten, der Eltern und der Einrichtungsträger sind dabei absolut ernst zu nehmen“, so Kathrin Gröning, die nur den Weg einer grundsätzlichen Überarbeitung als wirklich erfolgversprechend ansieht.

Laut Gewerkschaft ist es notwendig, dass aus den Erfahrungen der letzten 200 Tage gelernt und die Problemstellungen gründlich evaluiert werden. „Es bringt nichts, wenn in der politischen Auseinandersetzung parteipolitisch taktiert wird. Es geht darum, das Bestmögliche für die Kita-Kinder zu erreichen“, warnt Klein. Die aktuelle Misere dürfe nicht für das Ringen um die öffentliche Wahrnehmung genutzt werden. Gröning ergänzt: „Und dort, wo es Grenzen der Umsetzbarkeit oder der Finanzierung gibt, müssen diese ehrlich benannt und nach Außen kommuniziert werden. Es dürfen keine Erwartungen geweckt werden, die nachher nicht erfüllbar sind.“ Die GEW Rheinland-Pfalz fordert für die Überarbeitung des Gesetzes die Einbeziehung von wissenschaftlichen Expert:innen von Beginn an. Ein wirklich modernes Kita-Gesetz muss wissenschaftlichen Standards folgen und für die Kitas, die Familien und die Einrichtungsträger verlässliche Standards festschreiben.

Ein wirklich modernes Kita-Gesetz

Für die GEW Rheinland-Pfalz müssen insbesondere folgende Punkte erfüllt sein:

Eine wissenschaftlich fundierte Fachkraft-Kind-Relation muss für die gesamte Verweildauer der
Kinder sichergestellt werden:

- 1:2 für unter Einjährige (eine Fachkraft pro zwei Kinder),
- 1:3 für Ein- bis Dreijährige;
- 1:8 für Drei- bis Fünfjährige und
- 1:10 für Kinder ab sechs Jahren.

Für die Aufnahme von Kindern mit besonderen Bedarfen oder Behinderungen ist zusätzlich päda-
gogisches Personal vorzuhalten.

Ein Fachkräftegebot, welches festlegt, dass die Grundpersonalisierung ausschließlich durch pädagogisch ausgebildete Fachkräfte abgedeckt werden muss. Dabei müssen mindestens 70% eine einschlägige pädagogische Ausbildung auf Niveau DQR 6 (Erzieher:in) oder höher haben und es dürfen maximal bis zu 30% mit einer einschlägigen pädagogischen Ausbildung Niveau DQR 4 Sozialassistent:in) eingesetzt werden.

25 Prozent der vereinbarten vertraglichen Arbeitszeit der Fachkräfte müssen verbindlich als
mittelbare pädagogische Arbeitszeit zur Verfügung stehen und sind auch bei Personalmangel
sicherzustellen.

Jeder Kita-Platz muss für eine Betreuungszeit von 10 Stunden ausgelegt und personalisiert
werden.

Bei darüberhinausgehenden Bedarfen der Kinder und deren Familien, muss die Bedarfsplanung
unabhängig ihrer Begründung reagieren.

Auf die in der Betriebserlaubnis ausgewiesenen Plätze müssen von vornherein 20%

„Puffer“ aufgerechnet und personalisiert werden, um auf unvorhergesehene Bedarfe, beispielsweise durch Personalausfall und Zuzügen von Kindern, reagieren zu können.

Für die Arbeit von Kita-Leitungen müssen zusätzliche Personalstellen vorgesehen werden. Und
zwar pro angefangene 15 Plätze mindestens eine viertel Stelle.

Die Aufgaben von Kita-Leitungen müssen klar von denen der Träger abgegrenzt werden.

Für die Träger der Einrichtungen müssen verlässliche Finanzierungen gesichert werden, die auch
Sach- und Verwaltungskosten beinhalten.

Für hauswirtschaftliche Aufgaben muss es verbindliche personelle Mindestvorgaben geben. So
braucht es pro angefangene zehn in der Betriebserlaubnis aufgeführte Plätze mindestens eine
viertel Stelle an Wirtschaftspersonal.

Kita-Sozialarbeit muss flächendeckend außerhalb der Kita-Finanzierung eingeführt und finanziert
werden.

 

Quelle: Kathrin Gröning, stellvertretende Vorsitzende GEW- Rheinland-Pfalz, Mainz, 12.01.2022





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